Schnörkellose Arabesken
Projektdetails
Marwan Abado | Oud, Gesang |
Paul Gulda | Harpsichord |
Released: | Dezember 2015 |
Bestellung: | Gramola Vienna |
Wo Beziehung stattfindet, da ist ein Zwischenraum. Wäre kein Raum, kein Platz mehr, zwischen den sich aufeinander Beziehenden, dann würde die Beziehung enden, hätte keinen Lebensraum.
Marwan Abado und Paul Gulda, ich überlasse die Reihung dem Alphabet, öffnen einander den Raum der musikalischen Beziehung, betreten den Raum in jedem Konzert. Wir, die ihre Auftritte erleben dürfen, können sie nun auch mit nach Hause nehmen: Beziehung to go!
Der Palästinenser, der seit 1985 in Wien lebt, und der in Wien geborene Paul. Paul und der Palästinenser – das wäre in seiner Alliteration schon mal ein schöner Film-Titel, und die zwei haben´s ohnehin mit den Worten, auch mit gleich beginnenden und solchen mit doppelten Böden: „Bach to Beirut“, da ist das „Back to Beirut“ schon drinnen, freilich ein geistiges, seelisches Zurückkehren; besuchen wir doch nie denselben Ort, weil der Ort immer schon ein anderer geworden ist, und wir auch längst andere.
Oud und Cembalo: In den 1970er Jahren hat auch schon ein Gulda mit einem arabischen Musiker einen Beziehungsraum geschaffen: Friedrich, Pauls Vater, und Mounir Bashir, der irakische Oud-Spieler, eine Gallionsfigur arabischer Musikgeschichte im 20.Jahrhundert. Ließen sich Mounir und Friedrich jedoch eher al-fresco-haft improvisierend miteinander hören, so ist der Weg von Marwan und Paul ein viel genauer gewählter. Er führt durch den frisch bestellten Garten neu komponierter Musik, quert die üppige arabische Dünenlandschaft und wird vom feinen Gehölz der Musik J.S.Bachs strukturiert.
Marwan und Paul nehmen das eine oder andere neue Gewächs und pflanzen es mitten in die Bach´sche Botanik, greifen sich eine Handvoll Wüstensand, der sich als fruchtbarer Humus herausstellt, und befestigen damit die Erde.
Paul musiziert Bach, beweglich, geradezu biegsam. Beim Zuhören hebt´s einen aus, wenn er sich Zeit lässt, ohne den Rhythmus zu vernachlässigen. Rubato sagt man auch dazu, die feine Kunst des Zeitraubens. Jedoch spielt Paul nie manieriert, bei aller frei mäandernden Behandlung des Tempos bleibt sein Bach-Spiel schnörkellos, geradlinig. Das scheint nun genau das Gegenteil von dem zu sein, was arabische Musik angeblich ausmacht, von den Verzierungen, den eben auch so genannten Arabesken. Und doch passt alles zusammen, oder ergänzt sich gerade in den Kontrasten aufs Wunderbarste.
Marwan weiß um den Raum zwischen den Klängen. Er spielt wohl lieber wenige als viele Töne, setzt lieber auf eine musikalische Rhetorik der knappen Sätze, lässt sich damit auf das Risiko ein, dass dann aber auch jeder Ton passen muss, verfügt über die Virtuosität des Weglassens.
Sie haben sich nie dem Kommerz verschrieben, legen sich lieber einen Stein des Nachdenkens in den Weg, als eine Karriere der glatten Autobahn zu verfolgen. Ihre Musik taugt nicht für das betonierte Gerinne des Mainstream. Sie braucht das unbebaute Ufer, die verspielten Flussschlingen.
Von einer „Verflechtung der Wege“ ist denn auch die Rede, im Stück „Ich werde gehen“…
Ab und zu entzieht Paul seinem Cembalo etwas Klang, verwandelt den glitzernden Sound zum verhüllten Murmeln. Möglich wird das durch ein Register namens Lautenzug (da steckt schon wieder das „Ziehen“ drinnen). Es verleiht dem Tasteninstrument einen der Laute ähnlichen Klang.
Cembalo und Oud gehören zusammen. Präludium und Fuge ebenso. Marwan und Paul auch. Mit Raum dazwischen.
Albert Hosp