Die arabische Küche von Bethlehem bis Damaskus mit farbigen Illustrationen
Projektdetails
Autoren | Viola Raheb & Marwan Abado |
200 Seiten | |
€ 24,90 | CHF 38,00 | |
ISBN: |
978385476-301-7 |
Erschienen |
März 2009 |
Mandelbaum Verlag |
Dein Gesicht wie Brot
Wenn zwei palästinensische Wiener ein Kochbuch schreiben, dann geht es nicht nur um Rezepte, berichtet Gudrun Harrer
Arabische Kochbücher gibt es wie Kardamom-Körndeln im Beduinenkaffee, will sagen, sie sind nicht gerade Mangelware. Wenn jedoch zwei waschechte Wiener (Hallo, Ha-Zeh!) schon einmal ein arabisches Kochbuch schreiben, so muss das hier ordentlich zelebriert werden. Dem Dramatis personae (oder wie das bei Kochbüchern heißt) entnehme ich nämlich, dass Marwan Abado, der Sänger, Oud-Spieler und Komponist länger in Wien ansässig ist als meinereins, nämlich seit 1985. Von Viola Raheb, der Theologin und Publizistin, steht das Ankunftsjahr nicht drinnen, sie hat noch einen Umweg über die Uni Heidelberg gemacht. Beide kommen aus einem Land, das es nicht gibt, aus Palästina. Viola Raheb ist in Bethlehem geboren und aufgewachsen, Marwan Abado ist als Flüchtlingskind in Beirut zur Welt gekommen, seine Leute stammen aus dem maronitisch-christlichen Kufr Birem im Norden Galiläas, von dem heute nur mehr Ruinen stehen. Auf dem Speisezettel im Flüchtlingslager standen “Linsen und wieder Linsen” und “Weizenschrot und wieder Weizenschrot”. Aber Sonntag war ein “heiliger Fleischtag”, und da gab es unter anderem ein Gericht, nach dem sich jeder sehnt, der es je gegessen hat, und das bei den Abados “Fraake” heißt und so geht: Rohes Ziegen- und Kalbfleisch (bei Lamm wird auch niemand schimpfen) wird im Mörser ganz fein gestampft (was eine sauberere Sache ist als mit dem Cutter, denn nur so erwischt man alle Sehnen), dann mit der Kibbeh-Würzung vermischt (Piment, Pfeffer, Zimt, Koriander, Kreuzkümmel, Muskatnuss, Nelkenpulver, Rosenblätter, Chili), in fingergroße Stücke geformt und in gequollenem Weizenschrot gerollt.
Zeit der Feigen
Aber eigentlich wollen wir hier gar keine Rezepte abschreiben, es geht in diesem Buch nicht nur darum. Seinen Namen Zeit der Feigen nimmt es von seiner Einteilung nach dem “Kochen im Zyklus der Jahreszeiten”, was einer bäuerlichen Gesellschaft entspricht, die das aß, was das Land gerade bot. Klarerweise handelt es sich dadurch um ein gemüsebetontes Essen: Sich vegetarisch zu ernähren wäre in dieser Küche kein Problem, wenngleich, wie Viola Raheb erzählt, Essen ohne Fleisch bei einer ordentlichen Einladung sozusagen nicht “gilt”. Das muss sie feststellen, wenn sie nach Hause auf Besuch fährt und sich von der Verwandtschaft etwas Vegetarisches wünscht. Dann muss sie gleich noch ein zweites Mal bei Tantchen antanzen. Man sieht es Viola erstens nicht an, zweitens würde man sie da schon gerne vertreten. Außer den Frühling-Sommer-Herbst-Winter-Abteilungen und den dazugehörigen Speisen- und Menüvorschlägen gibt es noch Kapitel über einzelne Nahrungsmittel (etwa über die Olive), die Soziologie des Essens und Bewirtens in der Region oder auch Sprachliches – inklusive dem Eingeständnis, dass arabische Sprichwörter auf Deutsch oft einfach nicht funktionieren, und das nicht nur, weil sie auch vom phonetischen Witz leben, wie “Zähle die Eier in die Pfanne, aber nie die Schwangerschaftsmonate einer Frau”. Das – übrigens verheiratete – Autorenduo, das es bestimmt weiß, offeriert uns die Interpretation, dass sich das Sprichwort auf die Unvorhersagbarkeit des Entbindungstermins bezieht. Also leider nichts Schlüpfriges. Rasend erotisch klingt auch das Loblied auf die Schönheit der Braut nicht: “Oh, du Gurke, oh, du Gurke, dein Gesicht ist wie selbstgemachtes Brot!” Aber es ist ein schönes und einleuchtendes Bild: Die schlanke Gestalt der jungen Frau, dazu ein freundliches rundes Gesicht, gut wie Brot (und unser “dummes” Brot bitte ich höflichst zu vergessen). Und so ziehen die Reminiszenzen durch dieses Buch, manchmal wehmütig, aber ohne weinerlich oder kitschig zu sein. Über die politische Bezeichnung der Region schwindeln sich die beiden mit “Bilad al-Sham” hinweg, dem alten Begriff für die Levante, es geht hier nun einmal um das arabische Essen in der Region. Nicht nur von den Rezepten, auch aus den Erzählungen her zu schließen, scheinen beide, Viola und Marwan, großartige Köche zu sein. Wiener Hinterhofhammel (eigentlich schon lange nichts mehr gehört davon, wo ist er denn?) kommt nicht vor, dafür jedoch etwa Mansaf, das mit Zwiebel, Lorbeer und Zimt gekochte Lammfleisch mit Joghurt und Reis, mit Mandeln und Pinienkernen bestreut, wie im Schlaraffenland.
Erschienen in: Der Standard/rondo/ 22/05/2009